Samstag, 2. April 2011

Brief an einen sehr besonderen Menschen.


Liebste J,
der Anfang dieses Briefes ist mir zuerst eingefallen, ohne zu wissen, wie er weitergehen soll. Nämlich, dass du eigentlich mehr verdient hast, als nur diesen Brief. Alles erdenklich Größere eigentlich, größer, als dieses Din A4 Blatt. Und schon zu Anfang dieses Briefes entschuldige ich mich dafür, dass er nicht pünktlich erscheinen wird, falls er überhaupt erscheint. Wenn das Schicksal nämlich nein sagt, kommt dieser Brief wahrscheinlich nie an. Ich kann das Schicksal nicht beeinflussen, aber ich habe so das Gefühl, dass dieser Brief ankommen muss. Er soll ankommen. Andererseits…vielleicht werde ich ihn auch nie abschicken? Vielleicht verstecke ich ihn in mein Nachtschränkchen, rechts neben meinem Bett. Oder ich zerschneide ihn und werfe ihn weg. Aber wieso? Allerhöchstens aus Angst.
Aber genau diese Angst möchte ich gerade nicht haben. Wahrscheinlich, weil es keinen genauen Grund dafür gibt, aber auch, weil du ja fast alles weißt. Zumindest die Geschichte, Gefühle von anderen kann man nie genau erraten, man kann nie genau einschätzen, was als nächstes passiert.
Ich aber habe mich dafür entschieden, diesen Brief abzuschicken. Später, nachdem ich ihn  erstmal zu Ende geschrieben habe. Was wäre aber, wenn dieser Brief schon fertig geschrieben ist? Wenn es nichts mehr hinzuzufügen gäbe, vielleicht, weil du schon alles weißt?
Aber genau das ist der Punkt. Es gibt etwas hinzuzufügen. Und zwar dieses lächerliche kurze Wort „Danke“. Danke, dass du dir letztes Jahr meine Geschichte angehört hast. Danke, dass du mir zugehört hast, mich nicht angeguckt hast, als sei ich irgendein verrücktes Wesen. Danke, dass du nicht gleichgültig zu mir warst, wie es andere vorher waren. Danke, dass du einen meiner schwächsten Punkte kennst und sie nicht weitererzählst. Danke, dass du, obwohl ich fröhlich umher laufe und lache, trotzdem weißt, dass es mir genau in diesem Moment am schlechtesten gehen kann.
Ich bin nicht gerade die beste Freundin, aber um ehrlich zu sein, habe auch ich nicht eine beste Freundin. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich nicht in der Lage bin, DIE beste Freundin zu sein, ich gebe immer weniger, als ich nehme. Ich habe EINEN besten Freund, EINE Freundin, der ich metaphorisch gesehen, meine Lebensgeschichte aus einem Glas habe trinken lassen, eine Freundin, die des Öfteren ausrastet, ohne, dass man den Grund kennt, eine andere Freundin, die sich nicht immer durchsetzen kann und versucht, immer Gerechtigkeit auszustrahlen und eine Freundin, die manchmal zu viel redet, ohne es zu merken, obwohl ihr keiner zuhört.
Wer bin ich eigentlich in dieser Gruppe von jungen Menschen, im ungefähren Alter von sechszehn Jahren? Um ehrlich zu sein, kann ich keine genaue Antwort geben, weil ich es selbst nicht weiß. Aber ich bin noch am suchen, ehrlich. Wenigstens weiß ich aber, wer ich nicht bin, auch wenn ich diese Person manchmal zu sein scheine. Ein Teil von mir ist erleichtert, dass du ein Stück der wahren Person kennst. Wenn wieder mal so ein Tag ist, an dem ich Sinnloses von mir gebe, was sehr häufig passiert, frage ich mich, ob du und zwar nur du, gerade hinter diese Maske schaust und erkennst, dass das meiste davon gespielt ist. In diesen Momenten stocke ich öfter und schaue dich an, das hast du wahrscheinlich noch nie bemerkt. Das ist aber nicht schlimm, schließlich kann man nicht alles wissen. Jetzt gerade, wo ich diesen Satz geschrieben habe, muss ich schmunzeln. Äußerst merkwürdig, genauso wie ich. Hui, ich habe ein neues Wort gefunden, welches mich ein wenig beschreibt. Merkwürdig. Aber so schlimm ist das nun auch wieder nicht, oder? Wer ist schon normal.
Mir fällt gerade auf, dass ich in diesem Brief eigentlich nur über mich schreibe, also gehöre ich auch zu den egoistischen Menschen. Ich bin sogar mir gegenüber egoistisch. Das ist äußerst seltsam, ja.
Aber weißt du was? An dem Tag, wo ich dir alles erzählt habe, wurde ein dunkler Teil meiner Seele gereinigt, ein Lichtstrahl hat diesen Teil sauber gemacht. Du weißt wahrscheinlich gar nicht, wie viel mir das bedeutet, nämlich viel mehr, als irgendein Gegenstand. Die Bedeutung ist viel größer als dieses dämliche Din A4 Blatt, von dem ich nicht mal die Länge und Breite kenne. Wenn wir meine Seele als ein Puzzel betrachten, kann ich dir erzählen, oder schreiben, dass du einen Teil gefunden hast, ihn mit einem anderen Puzzelteil verbunden hast.
Ich danke dir vom Herzen dafür.
Um dich vielleicht zum Lächeln zu bringen, schreibe ich dir an dieser Stelle, dass dieser Brief genau jetzt 730 Wörter hat. Deutsch LK, haha.
Alles erdenklich Liebe zu deinem 16. Geburstag.
I love you,
S.

1 Kommentar:

  1. ein wunderschöner Brief ich hoffe der Mensch der ihn bekommen hat, hat ihn gewürdigt. Ich versuche auch einen Brief zu schreiben, ich hoffe er wird ansatzweise so schön wie deiner :-)

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